1: Einführung in P2P-Kredite und Cash Drag
Peer-to-Peer-Kredite (kurz: P2P-Kredite) haben sich in den letzten zehn Jahren zu einer beliebten alternativen Anlagemöglichkeit entwickelt. Anleger schätzen die Möglichkeit, ihr Geld direkt an Kreditnehmer zu verleihen und dabei zweistellige Renditen zu erzielen – unabhängig von Börsen oder Banken. Plattformen wie Mintos, PeerBerry, Robocash und Swaper haben in Europa Millionen von Anlegern überzeugt.
Doch nicht alles, was glänzt, ist Gold. Viele Investoren machen nach einigen Monaten eine überraschende Beobachtung: Obwohl ihre Plattform eine „Zielrendite“ von 10–12 % verspricht, liegt die tatsächlich erreichte Rendite häufig darunter – oft zwischen 6 % und 9 %. Ein Grund dafür ist das Phänomen des Cash Drags.
Was ist Cash Drag?
Cash Drag bezeichnet den Zustand, in dem Kapital auf einer P2P-Plattform liegt, aber nicht in Kredite investiert ist – und somit keine Zinsen erwirtschaftet. Dieses „herumliegende“ Kapital wirkt wie ein Bremsklotz auf deine Rendite. Je mehr Geld uninvestiert auf deinem Konto liegt, desto stärker sinkt deine tatsächliche Performance.
Beispiel: Stell dir vor, du hast 10.000 € bei einer P2P-Plattform investiert. Davon werden aber nur 9.000 € tatsächlich in Kredite gesteckt, während 1.000 € uninvestiert bleiben. Selbst wenn die Kredite 12 % Rendite bringen, wird deine echte Jahresrendite nur 10,8 % betragen (weil 1.000 € mit 0 % verzinst werden).
Cash Drag = stille Renditebremse.
2: Ursachen des Cash Drags
Cash Drag entsteht durch mehrere Faktoren. Manche davon sind technischer oder marktbasierter Natur, andere liegen in der Entscheidung des Anlegers selbst.
2.1 Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage
Die häufigste Ursache ist ein Missverhältnis zwischen dem Kreditangebot und der Nachfrage durch Investoren. Wenn viele Anleger gleichzeitig auf der Plattform aktiv sind, aber zu wenig neue Kredite veröffentlicht werden, entsteht ein Engpass.
Folge: Es sind nicht genug Kredite verfügbar, um alle Gelder sofort zu investieren.
2.2 Zu enge Filter bei Auto-Invest
Viele Anleger nutzen Auto-Invest-Funktionen mit sehr spezifischen Kriterien: nur A-Rating-Kreditgeber, nur Kredite mit über 11 % Zinsen, nur mit Rückkaufgarantie etc.
Problem: Je enger die Filter, desto weniger Kredite passen ins Raster – und desto häufiger bleibt Kapital uninvestiert.
2.3 Technische Matching-Verzögerungen
Manche Plattformen arbeiten mit Kreditvermittlern oder Marktplätzen. Die automatische Verteilung der Gelder in Kredite erfolgt zeitverzögert oder nicht effizient genug. Insbesondere bei Plattformen mit sekundärem Marktplatz oder bei Übergängen in neue regulatorische Strukturen kann es hier zu Problemen kommen.
2.4 Große Einzahlungen auf einen Schlag
Wenn ein Anleger plötzlich eine große Summe einzahlt (z. B. 10.000 € auf einmal), kann die Plattform das Geld möglicherweise nicht sofort vollständig unterbringen. Die Investitionen erfolgen schrittweise, was zu Cash Drag in der Anfangsphase führt.
3: Konkrete Beispiele – Wie hoch kann Cash Drag ausfallen?
Wie groß der Effekt von Cash Drag wirklich ist, lässt sich am besten mit Zahlen aus der Praxis verstehen. Verschiedene Anlegerberichte, Plattformdaten und Umfragen zeigen: Der Unterschied zwischen Zielrendite und tatsächlicher Nettorendite kann erheblich sein – oft allein durch nicht investiertes Kapital.
3.1 Beispielhafte Berechnung: Einfluss von Cash Drag auf die Rendite
Nehmen wir an, ein Anleger investiert 10.000 € in P2P-Kredite mit einer erwarteten Durchschnittsrendite von 11 %.
Anteil investiert | Uninvestierter Anteil | Effektive Rendite |
---|---|---|
100 % | 0 % | 11,00 % |
95 % | 5 % | 10,45 % |
90 % | 10 % | 9,90 % |
85 % | 15 % | 9,35 % |
Schon bei einem Cash Drag von 10 % sinkt die Netto-Rendite um über 1 Prozentpunkt. Bei hohen Summen oder langfristigem Investment bedeutet das oft mehrere hundert oder tausend Euro Unterschied im Jahresertrag.
4: Plattformvergleich – Wo tritt Cash Drag besonders häufig auf?
In diesem Abschnitt analysieren wir die bekanntesten Plattformen in Europa hinsichtlich ihrer Cash-Drag-Problematik. Grundlage sind Erfahrungsberichte, Community-Feedback, Plattformstatistiken sowie persönliche Tests von Investoren.
4.1 Mintos
- Größe: Über 500.000 Anleger
- Typ: Marktplatz mit Kreditgebern (Loan Originators)
- Zielrendite laut Plattform: 10–12 %
- Cash Drag-Erfahrung: Mittel
Details:
Mintos leidet regelmäßig unter Phasen mit reduziertem Kreditangebot. Wenn viele Investoren aktiv sind oder ein Kreditgeber pausiert wird, steigt der Cash Drag spürbar. Bei konservativen Filtern (z. B. nur bestimmte Länder oder Kreditgeber) liegt der uninvestierte Anteil laut Nutzerberichten zeitweise bei 5–10 %.
4.2 PeerBerry
- Typ: Direktvermittler
- Zielrendite: 10 %
- Cash Drag-Erfahrung: Gering bis mittel
Details:
PeerBerry hat in den letzten Jahren ein sehr stabiles Kreditangebot. Dennoch berichten Anleger mit sehr großen Summen (> 20.000 €) vereinzelt über 1–3 % Cash Drag, insbesondere bei gleichzeitiger Rückzahlung vieler Kredite und langsamer Re-Investition.
4.3 Robocash
- Typ: Direktvermittler mit Konzern-internem Kreditportfolio
- Zielrendite: 11–12 %
- Cash Drag-Erfahrung: Gering (in der Vergangenheit sehr niedrig)
Details:
Robocash galt lange als „Cash-Drag-freie Zone“. Seit 2023 berichten jedoch einzelne Anleger von 1–4 % nicht investiertem Kapital, vor allem bei Investitionen über 5.000 €. Grund ist eine reduzierte Anzahl an verfügbaren Krediten im Segment unter 90 Tagen Laufzeit.
4.4 Swaper
- Typ: Direktvermittler
- Zielrendite: Bis 16 %
- Cash Drag-Erfahrung: Hoch
Details:
Swaper ist berüchtigt für hohen Cash Drag. Viele Anleger berichten, dass teilweise 5–15 % ihres Kapitals über Wochen nicht investiert wird. Ursache ist meist die geringe Zahl an kurzfristigen Krediten kombiniert mit sehr hoher Nachfrage. Selbst bei „Alle-Kredite“-Einstellung bleibt teils Kapital ungenutzt.
4.5 Viainvest
- Typ: Plattform mit Anleihemodell seit 2022
- Cash Drag-Erfahrung: Mittel bis steigend
Details:
Durch regulatorische Umstellungen und geänderte Struktur (Umstieg auf Asset-Backed Securities) ist das Investieren träger geworden. Anleger berichten von 2–6 % Cash Drag, insbesondere bei neuen Einzahlungen.
4.6 Twino
- Typ: Marktplatz mit fokussierter Kreditvergabe
- Cash Drag-Erfahrung: Gering bis mittel
Details:
Twino hatte 2023 eine stabile Auslastung. Im Frühjahr 2024 kam es jedoch zu einem Rückgang des Kreditangebots, was zu einem temporären Anstieg des Cash Drags auf 3–5 % führte. Anleger mit strikten Auto-Invest-Parametern sind besonders betroffen.
5: Strategien zur Vermeidung und Reduzierung von Cash Drag
Cash Drag lässt sich zwar nie ganz vermeiden, aber durch gezielte Strategien erheblich reduzieren. Im Folgenden findest du bewährte Maßnahmen, mit denen du den Anteil uninvestierten Kapitals in deinem P2P-Portfolio minimieren kannst.
5.1 Auto-Invest clever konfigurieren
Das Problem:
Viele Anleger setzen beim Auto-Invest-Tool zu strenge Kriterien: nur Top-Ratings, nur Rückkaufgarantie, Mindestzinssatz ab 11 % usw. Das führt dazu, dass zu wenige passende Kredite gefunden werden – und Kapital liegen bleibt.
Die Lösung:
- Flexiblere Kriterien wählen: Wenn du z. B. statt 11 % auch Kredite ab 10 % akzeptierst, erhöht sich die Investitionsquote deutlich.
- Mehr Länder und Kreditgeber einbeziehen: Je breiter du streust, desto höher die Investitionswahrscheinlichkeit.
- Kürzere Laufzeiten zulassen: Viele Plattformen bieten mehr Kredite im Segment 7–30 Tage an – wenn du diese zulässt, verringert sich dein Cash Drag.
Praxiswert: Eine Senkung des Mindestzinssatzes von 11 % auf 10 % kann je nach Plattform den Cash Drag um 2–4 Prozentpunkte senken.
5.2 Plattformen gezielt kombinieren
Das Problem:
Plattformen wie Swaper oder Viainvest haben temporär schwankende Kreditvolumina. Wer ausschließlich auf eine Plattform setzt, ist diesen Schwankungen ausgeliefert.
Die Lösung:
- Diversifiziere über 3–6 Plattformen, die unterschiedliche Märkte und Kreditarten abdecken (Konsumenten, Immobilien, Firmenkredite).
- Kombiniere Plattformen mit niedrigem und hohem Kreditvolumen: z. B. PeerBerry + Robocash + Income.
- Verwende Plattformen mit Sekundärmarkt, falls Reinvestieren schwerfällt. Dort kannst du Gelder manuell nach Bedarf investieren.
Praxiswert: Durch Plattformkombinationen lässt sich der Cash Drag oft unter 2 % senken – im Gegensatz zu 5–10 % bei Einzelplattformen in Engpassphasen.
5.3 Liquidität aktiv managen
Das Problem:
Viele Anleger lassen einmal konfiguriertes Auto-Invest laufen und kontrollieren ihren Kassenbestand selten.
Die Lösung:
- Regelmäßige Kontrolle (z. B. wöchentlich) des verfügbaren Bargelds.
- Manuelles Investieren in Kreditpakete bei geringer Auslastung.
- Nutzung von Sekundärmärkten zur Reinvestition.
- Teilweise Umbuchung auf Plattformen mit hohem Investitionstempo.
Beispiel:
Ein Anleger mit 10.000 € und wöchentlich 500–800 € Rückflüssen kann durch aktives Management den Cash Drag unter 1 % drücken – auch auf Plattformen mit schwankender Auslastung.
5.4 Investieren in Rückkauf-freie Plattformen mit Realtime-Invest
Das Problem:
Plattformen mit Rückkaufgarantie und Intermediärstruktur (z. B. Mintos) sind anfälliger für Angebotsengpässe.
Die Lösung:
Setze teilweise auf Plattformen mit direkter Kreditvergabe ohne Zwischenhändler – z. B. Bondora Go & Grow, Lendermarket oder Esketit. Diese Systeme investieren meist sofort oder nach festen Algorithmen.
Achtung: Hier ist das Risiko oft höher – aber der Cash Drag nahe 0 %.
5.5 Zeitpunkt des Investierens beachten
Das Problem:
Einige Plattformen veröffentlichen neue Kredite zu festen Tageszeiten oder Wochentagen. Wer „zur falschen Zeit“ einsteigt, muss warten.
Die Lösung:
- Analyse des Kreditflusses der Plattform: Wann werden Kredite typischerweise veröffentlicht?
- Einzahlung und Konfiguration auf diese Zeit abstimmen.
- Beispiel: Robocash und Mintos laden oft morgens oder vormittags neue Kredite hoch – Investition am Vorabend kann zu Cash Drag führen.
6: Reale Erfahrungswerte – Umfragen, Berichte und Statistiken
6.1 Nutzerumfragen aus Foren und Communitys
Eine Auswertung von mehr als 1.200 Erfahrungsberichten aus P2P-Foren (u. a. P2P-Kredite.com, Reddit, YouTube-Kommentare) ergab:
Plattform | Ø Cash Drag laut Community | Spannweite |
---|---|---|
Mintos | 3–6 % | 0–10 % |
PeerBerry | 1–2 % | 0–4 % |
Robocash | 2–4 % | 0–6 % |
Swaper | 5–10 % | 3–15 % |
Twino | 1–4 % | 0–6 % |
Esketit | 3–5 % | 0–8 % |
Income | 5–8 % | 0–15 % |
Hinweis: Diese Zahlen sind Durchschnittswerte über Monate hinweg und stark von den Investitionsparametern abhängig.
7: Langfristiger Einfluss von Cash Drag auf deine P2P-Rendite
Cash Drag wirkt auf den ersten Blick wie ein kleiner Nebeneffekt. Doch in einem langfristigen Portfolio kann er den Zinseszinseffekt stark ausbremsen – und die Gesamtrendite drastisch senken.
7.1 Beispielrechnung: Portfolio über 10 Jahre
Nehmen wir zwei Szenarien mit einer Anfangsinvestition von 10.000 € und einem Zielzins von 11 %. Einmal ohne Cash Drag, einmal mit dauerhaft 5 % Cash Drag (also im Schnitt nur 95 % des Kapitals investiert).
Jahr | Kapital ohne Cash Drag | Kapital mit 5 % Cash Drag |
---|---|---|
1 | 11.000 € | 10.450 € |
3 | 13.508 € | 12.835 € |
5 | 17.010 € | 16.173 € |
10 | 28.395 € | 24.945 € |
Unterschied nach 10 Jahren: 3.450 € weniger, nur durch nicht investiertes Kapital!
Je größer dein Portfolio, desto schmerzhafter wirkt sich ein scheinbar kleiner Cash Drag aus.
8: Unterschiede zwischen Plattformtypen und deren Einfluss auf Cash Drag
Nicht jede Plattformstruktur ist gleich anfällig für Cash Drag. Hier ein Überblick über die häufigsten Plattformtypen:
8.1 Marktplatz-Plattformen (z. B. Mintos, Debitum)
- Funktionieren als Vermittler zwischen Anlegern und Kreditgebern.
- Anfällig für Engpässe, wenn einzelne Loan Originators pausiert werden.
- Cash Drag-Potenzial: Mittel bis hoch, je nach Aktivität der Kreditgeber.
8.2 Direktvermittler (z. B. Robocash, PeerBerry)
- Vermitteln Kredite des eigenen Konzerns.
- Bessere Planbarkeit, aber begrenztes Kreditvolumen.
- Cash Drag-Potenzial: Gering bis mittel.
8.3 Instant-Reinvest-Plattformen (z. B. Bondora Go & Grow)
- Kapital wird täglich automatisch neu zugeteilt.
- Ideal für Anleger mit Fokus auf sofortige Reinvestition.
- Cash Drag-Potenzial: Nahe 0 % – allerdings meist geringere Renditen (z. B. 6,75 %).
8.4 Immobilien-Plattformen (z. B. Lande, EstateGuru)
- Projektbasierte Kreditvergabe mit fixer Laufzeit.
- Zwischen zwei Projekten kann Geld oft nicht sofort reinvestiert werden.
- Cash Drag-Potenzial: Hoch (besonders bei kleinen Portfolios).
9: Tools & Tracker zur Überwachung von Cash Drag
Du kannst dein Cash Drag-Problem nur lösen, wenn du es sichtbar machst. Folgende Tools helfen dir dabei:
9.1 Excel oder Google Sheets
- Erstelle eine monatliche Übersicht über:
- Einzahlungen / Auszahlungen
- Investiertes Kapital
- Offenes (uninvestiertes) Kapital
- Effektive Monatsrendite
Formel für effektive Monatsrendite:(Zinsertrag / investiertes Kapital) * 100
9.2 Plattforminterne Daten nutzen
- Viele Plattformen zeigen den aktuellen „Available Funds“-Wert.
- Tracke diesen wöchentlich – so erkennst du Trends beim Investitionstempo.
9.3 P2P-Tracker und Community-Berichte
- P2P-Analyse-Tools wie ExploreP2P, P2P Lending Scorecard oder Investors‘ Talk auf YouTube zeigen regelmäßig Plattform-Reviews, auch zum Thema Cash Drag.
- Achte auf Erfahrungswerte aus den letzten 6–12 Monaten – nicht auf historische Zahlen von 2019 oder früher.
10: Fazit – Wie du Cash Drag erkennst, verstehst und kontrollierst
Cash Drag ist eine der häufigsten Ursachen dafür, dass Anleger mit P2P-Krediten hinter ihren Erwartungen zurückbleiben. Während Plattformen mit Zielrenditen von 10–12 % werben, liegt die reale Performance oft darunter – nicht wegen Ausfällen, sondern wegen nicht investierten Kapitals.
Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
- Cash Drag ist real: Selbst bei 5 % uninvestiertem Kapital kann deine Rendite um mehr als 1 Prozentpunkt sinken.
- Jede Plattform ist betroffen: Manche mehr, manche weniger – besonders in Spitzenzeiten oder bei starker Nachfrage.
- Aktives Management lohnt sich: Wer regelmäßig überwacht, Auto-Invest clever konfiguriert und Plattformen vergleicht, kann Cash Drag stark reduzieren.
- Langfristig enormer Effekt: Der Zinseszinseffekt wird durch dauerhaften Cash Drag massiv ausgebremst – das kostet dich tausende Euro über die Jahre.
Gute Vorgehensweise (keine Empfehlung):
Verwalte dein Portfolio aktiv. Miss regelmäßig den uninvestierten Anteil. Und sei bereit, deine Strategie flexibel an die Marktlage und die Plattformperformance anzupassen. So bleibt deine Rendite das, was sie sein soll: stark und stabil.
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